Selbstführung: Downshifting

Downshifting – Der Abstieg zum Aufstieg

Womit haben wir es zu tun?

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind in einer Führungsposition, haben ein tolles Gehalt, viel Verantwortung, werden geschätzt, bewundert und sind dennoch nicht glücklich. Das hier sind nicht Sie, der Gedanke an Ihre Arbeit gibt Ihnen irgendwie ein mulmiges Gefühl. Aber diese Position verlassen? Einfach etwas anderes tun, was Ihnen mehr liegt? Das kommt nicht in Frage, da hätten Sie ja versagt. Doch was, wenn nicht?
Es geht vielen so. So vielen, dass es dafür bereits einen eigenen Begriff gibt: Downshifting. Das bedeutet übersetzt soviel wie „herunterschalten“ und bezeichnet, dass sich Menschen freiwillig gegen einen Karriereaufstieg und – aus Sicht ihrer bisherigen Leistungen – für einen Rückschritt entscheiden. Sie verzichten aus freien Stücken auf ein besseres Gehalt oder einen prestigeträchtigeren Job, um sich einer Aufgabe zu widmen, welche sie sinnvoller finden.
Doch keiner wird von heute auf morgen zum Downshifter, auch wenn es in den Medien oder spannenden Romanen oft so publiziert wird. Downshifting ist ein Prozess welchem viel Selbstreflexion, Mut und Veränderungswille voraus geht.

Welche Ursachen und Gründe hat die Entscheidung zum Downshifting?

Für das Downshifting lassen sich drei übergeordnete Gründe nennen. Ganz oben steht die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Beruf und Leidenschaft. Viele Betroffene, welche sich für das Downshifting entschieden haben, gaben an, mit der Arbeit nie wirklich fertig zu werden. Da liegen stets zwei Handys auf dem Tisch: Das private und das Firmenhandy. Noch schnell diese Mail…und Moment! Herr Müllermeierschmitt hat noch immer nicht die Präsentation für morgen Mittag gesendet. … Sie erkennen die Problematik? Die erfolgreiche Integration von Beruf und Alltag ist schwierig und oft schwer umsetzbar. Burnout und gesundheitliche Probleme hervorgerufen durch Stress sind nicht selten die Folge.
Andreas Utermann, Chef des Vermögensverwalters Allianz Global Investors, verlässt beispielsweise seinen Posten aus genau diesem Punkt: Er wird Hausmann und ermöglicht es seiner Frau, wieder voll berufstätig zu sein.
Ein weiterer Grund liegt im Fortschritt und neuen Arbeitsmodellen. Das New Work Prinzip Flexibilität kann schnell zu Überforderung führen. Frei wählbare Arbeitszeit, die Abwesenheit von festen Strukturen und so weiter hat eben auch seine Kehrseite. Die Arbeissoziologin Julia Gruhlich formuliert dazu treffend: „Das ist das, was sie als besonders belastend erfahren haben: Dieser ständige Druck, diese ständige Freiheit, auch diese Entgrenzung, selbst für die Grenzen von Arbeitszeit und Arbeitsort verantwortlich sein zu müssen. Aber immer das Gefühl zu haben, man hat vielleicht noch nicht genug geleistet.“ Paradoxerweise wünschen sich dann viele, fremdgesteuert zu sein und in festen vordefinierten Strukturen zu arbeiten.
Eine Julia Gruhlich bekannte Projektmanagerin hat sich beispielsweise gegen ihren kreativen und flexiblen Job entschieden, um nun in einem Callcenter zu arbeiten. Dort hat sie feste Arbeitszeiten und wird fremdgesteuert. Doch was man allgemein an solch einem Job kritisiert, hat sie als Vorteil für sich entdeckt.
Der letzte Grund, welcher hier genannt werden soll ist die Frage nach der ethischen Anforderung. Wenn man seinen Job richtig machen möchte, also auch ethisch vertretbar und schließlich merkt, dass es nicht geht, macht das auf Dauer unglücklich. Seine eigenen Stärken kann man nicht anwenden und ausbauen, um so die Prozesse eines Unternehmens vielleicht zu optimieren. Dann ist man gefangen in sich selbst und kann in einer Position mit weniger Verantwortung und geringerer Reichweite vielleicht letztlich mehr erreichen.
Oftmals greifen vor der Entscheidung zum Downshifting mehrere Aspekte dieser Gründe ineinander. Dann quält die Sinnfrage oder der Job greift zu sehr in das private Leben ein. Gleichzeitig ist man sich seiner eigenen Stärken plötzlich nicht mehr so richtig bewusst und zweifelt an den Machenschaften des Unternehmens… Wird der Leidensdruck zu groß, muss eine Veränderung her. Downshifting muss dabei nicht immer gleich einen gänzlichen Jobwechsel bedeuten. Es kann auch einfach heißen, Verantwortung abzugeben, die Arbeitszeit zu reduzieren oder das Arbeitsumfeld durch beispielsweise Homeoffice zu verändern. Downshifting ist ein individuelles Thema, welches immer dazu führt, seine eigenen Bedürfnisse mehr in den Vordergrund zu rücken und dadurch auch seine Resilienzfähigkeit zu stärken.

Die Frage nach dem Wie

Warum haben Sie diesen Artikel angeklickt? Aus purer Neugierde am neuen Begriff oder weil auch Sie etwas verändern möchten? Dann helfen Ihnen vielleicht diese sechs Tipps für einen Schritt zurück.

  1. Selbstreflexion betreiben: Reflektieren Sie Ihre Situation haarklein und hören Sie genau auf Ihren Bauch. Wogegen wehrt er sich?
  2. Ziel klären: Was wollen Sie eigentlich im Leben erreichen? Wovon träumen Sie und was hindert Sie daran? Was haben Sie gelernt? Was können Sie gut und möchten Sie es weiter ausbauen? Woraus schöpfen Sie Energie? Was macht Sie glücklich?
  3. Folgen berücksichtigen: Downshifting bedeutet formal gesehen erstmal ein Rückschritt, welcher auch mit Folgen wie weniger Einkommen einhergeht. Klären Sie, wie sich das auf Ihren Lebensstandard und den Ihrer Familie auswirken würde.
  4. Rückhalt suchen: Solch ein Schritt ist schwer und vielleicht zweifeln Sie auch an einem gewissen Punkt an Ihrer Entscheidung. Daher ist ein vertrauensvolles Netzwerk, welches Sie unterstützt und an Ihre Vision erinnert unbedingt notwendig.
  5. Entscheidung vertreten: Ihre Entscheidung wird man kritisch hinterfragen und vielleicht sogar mit einem Kopfschütteln quittieren. Das müssen Sie aushalten können.
  6. Verbrannte Erde: Die sollten Sie nicht hinterlassen. Bringen Sie Ihre Veränderung im Guten voran. Vielleicht ist es nur eine Veränderung auf Zeit und Sie suchen später wieder die Herausforderung? Dann sollten Sie einen guten Draht zu Ihrem „alten Leben“ halten.

In Zeiten des steigenden Leistungsdrucks, flexibler Arbeitsmodelle, unendlicher technischer und globaler Möglichkeiten vergisst man schnell, wer man ist und was man eigentlich hier wollte. Downshifting ist kein Zugeständnis von Versagen, sondern ein mutiger Schritt, wieder besser auf sich selbst zu hören. Daher zum Abschluss dieses Artikels folgendes Zitat:

„Unterschätze nie einen Menschen, der einen Schritt zurück macht. Er könnte Anlauf nehmen.“ (Unbekannt)

Foto: unsplash

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