Freundschaft unter Kollegen

Die Mischung machts kaputt – Freundschaft unter Kollegen richtig angehen

 

 

Ich bin für viele verschiedene Personen, Chefs, Teams oder Politiker mit den unterschiedlichsten Anliegen und Wünschen unterwegs. Doch hin und wieder überraschen mich noch immer die Aufträge. Plötzlich stand die Rettung einer Freundschaft auf meiner Agenda.

Zwei Frauen hatten das Vertrauen ineinander verloren und trauerten um ihre langjährige innige Freundschaft. Ich sollte helfen und schlichten. Die Crux an der Geschichte: die beiden Frauen waren ebenfalls langjährige Arbeitskolleginnen…

Freundschaften am Arbeitsplatz gehören zu den Dingen, die man als „Das Normalste auf der Welt“ abstempelt. Das ist ganz logisch, wenn es mit der Zeit immer schwieriger wird die Freundschaften aus der Zeit der Ausbildung oder des Studiums aufrechtzuerhalten. Es gibt im Leben mehrere Brüche im Freundeskreis, welche sich in etwa an großen Lebensabschnitten ausmachen lassen: Schule, Ausbildung, Job… Man zieht beispielsweise nach dem Studium in eine andere Stadt und sieht alte Freunde seltener. Nach und nach entstehen dann Freundschaften am Arbeitsplatz und übernehmen die Rolle des alten Freundeskreises. Doch während noch in der Schule oder der Ausbildung die Verbindung der Freunde ein gemeinsamer Werdegang, ein gemeinsamer Abschluss war, ist die Natur von Freundschaften im Arbeitskontext eine andere. Ihre gemeinsame Basis ist das Unternehmen im Allgemeinen, ein Platz im Team mit konkreten Aufgaben im engeren Sinne. An der Spitze wird es allerdings enger, das heißt, steigt ein Kollege auf, lässt er möglicherweise Freunde „zurück“ und schafft eine neue Basis: die für Konflikte. Das „Normalste auf der Welt“ kann also plötzlich auch einige Risiken bergen.

 

 

Motivation, Vertrauen und Spaß an der Arbeit – Die Vorteile

Doch bleiben wir vorerst bei den Vorteilen. Denn Freundschaften am Arbeitsplatz steigern das Vertrauen untereinander und fördern die Motivation. Studien zeigen, dass Menschen mit Freunden am Arbeitsplatz sogar deutlich mehr Überstunden machen und zufriedener sind. Die Verbundenheit hat eine stabilisierende und stärkende Wirkung, Mitarbeiter sind zufriedener und können auch offener kritisches Feedback besprechen.

Befreundete Mitarbeiter schaffen es, sich gegenseitig zu beruhigen und zu fokussieren, wenn es mal Ärger gibt. So reduzieren Freundschaften Stress und verhelfen zu mehr Produktivität. Die gegenseitige Unterstützung verbessert die gesamte Arbeitsatmosphäre und überdies hinaus auch den Gesamteindruck vom Arbeitgeber. Das Vertrauen und die emotionale Unterstützung geben den Mitarbeitern die Sicherheit auch mal über ihre Grenzen hinaus zu gehen und etwas Neues zu probieren. Mit Rückenstärkung pitcht sich eine neue Idee gleich viel leichter.

Überhaupt können Freunde auf Arbeit auch entgegengesetzt wirken und den Druck rausnehmen, wenn man sich selbst einmal nicht gut fühlt. Einen Gang zurückschalten oder sich auch mal hängen lassen, ohne dass es Ärger gibt, geht nur mit den richtigen Verbündeten. Wenn auch – und da zeigt sich schon das erwähnte Konfliktpotenzial – sich daraus schnell Unverschämtheiten entwickeln können.

 

 

Wenn die richtige Grenzziehung fehlt – die Nachteile

Üblicherweise fallen Konflikte unter Freunden am Arbeitsplatz heftiger aus, da Betroffene schnell in einen Loyalitätskonflikt zwischen Freund und Unternehmensumgebung geraten. Bei Ärger mit einem Vorgesetzten wird von einem Freund Loyalität erwartet, obwohl dieser vielleicht die Meinung des Vorgesetzten teilt. Je enger die Beziehung ist, desto schwieriger wird es, die Grenzen zu wahren und den Konflikt zu lösen.

Ebenso kann es unter Kollegen schnell zu Neid und Eiversucht kommen. Unterschiede führen immer zu Spannungen. Gerade wenn beide Freunde auf der gleichen Ebene gestartet sind, aber nur einer von beiden befördert wird. Soziale Vergleichsprozesse sind in fast jeder Lebenssituation natürlich, aber besonders bei befreundeten Kollegen naheliegender und stärker ausgeprägt. Die gemeinsame Basis – der berufliche Alltag – ist ein elementarer Bestandteil im Leben aller Beteiligten. So wird Vergleichen in diesem Bereich sehr viel mehr Bedeutung beigemessen, als bei Freunden mit unterschiedlichen Karriereentwicklungen und Lebensphilosophien.

Freundschaften im Unternehmen zu pflegen, ist also zumeist auch eine Gratwanderung. Das Zauberwort, welches hierbei den Königsweg ebnet, lautet – wie so oft – Transparenz. Der sinnvollste Weg ist es immer, das offene Gespräch zu suchen und klare Grenzen zu definieren. Dabei sollte die Trennung von Privatleben und Geschäft deutlich angesprochen werden, damit zukünftig Vorfälle im Job objektiv betrachtet werden können, ohne dass daran eine Beziehung zerbricht.

 

 

Gut oder schlecht – ein Fazit

Mitarbeitende sollten sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie nur mit klarer Grenzziehung zwischen Freundschaft und Job, die Arbeit nicht mit nach Hause nehmen. Sonst wird schnell bei einem abendlichen Umtrunk der Unternehmensalltag thematisiert und diskutiert. Sollte es jedoch schwierig sein, das Thema Arbeit gänzlich beiseite zu schieben und sich keine anderen gemeinsamen Anknüpfungen ergeben, bleibt zu überdenken, ob man hier wirklich eine echte Freundschaft pflegt, oder ob es sich eigentlich nur um einen netten Kollegen und eine gute Zusammenarbeit handelt. Gerade Vorgesetzte pflegen eher ein Netzwerk als Freundschaften. Es ist also bei der Entwicklung von freundschaftlichen Beziehungen im Unternehmen immer darauf Acht zu geben, sich selbst nicht zu schnell zu öffnen und die Vertrauenswürdigkeit aller erst einschätzen zu lernen.

Freundschaften im Arbeitsumfeld sind also weder per se gut noch schlecht. Es bedarf nur etwas mehr Aufmerksamkeit auf als bei Freundschaften im privaten Umfeld, ob die Grenzsetzung gelungen ist und die Basis der Beziehung geklärt ist. Mit befreundeten Kollegen oder sogenannten Frollegen teilt man im Prinzip alles: Private Angelegenheiten als auch berufliche Herausforderungen. Sie sind immer präsent und ein Streit lässt sich hier kaum durch „Gras über die Sache wachsen lassen“ lösen. Die Konfrontation ist immer da, die Spannung auch. Deswegen ist es das Wichtigste unter Frollegen, Freundschaft und Arbeitsalltag klar abzustecken und zu lernen, im Job auch mal anderer Meinung zu sein und dennoch am Wochenende gemeinsam etwas zu unternehmen.

Genau das habe ich mit meinen beiden Klientinnen schließlich auch erarbeitet. Wir haben gemeinsam eine Grenze gezogen, den Konflikt analysiert, den Ursprung erkannt und differenziert betrachtet. Für die Zukunft sind die Regeln klar und die Beziehung gerettet.

Foto: unsplash – Brooke Cagle

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